Unser Selbstverständnis

Wofür wir stehen

Wir sind ein feministisches Aktionsbündnis, bestehend aus verschiedenen Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den feministischen Kampftag am 8. März und weitere Aktionen in Mainz zu begleiten, zu organisieren und zu gestalten. Damit nehmen wir die historische Verantwortung an, am 8. März und darüber hinaus mit unseren Geschwistern auf der ganzen Welt solidarisch und intersektional [1]Intersektionalität ist ein Begriff aus dem Schwarzen Feminismus und wurde erstmals von der Schwarzen US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw akademisch beschrieben. Das Konzept meint das … Continue reading gegen das Patriarchat zu kämpfen. Mittels verschiedener Aktionsformen möchten wir feministische Forderungen laut machen und für Geschlechtergerechtigkeit streiten. Wir wollen uns untereinander vernetzen, austauschen und uns gegenseitig in unseren Kämpfen unterstützen.

Unser Feminismus

Für uns bedeutet Feminismus die Befreiung ALLER von Unterdrückung und Ausbeutung. Alle Menschen müssen dieselben Rechte und Freiheiten haben, egal welches Geschlecht bzw. Geschlechtsidentität sie haben, egal was ihre sexuelle bzw. romantische Orientierung ist, was für einen Körper sie haben oder ob sie Behinderungen haben. Menschen dürfen nicht diskriminiert und unterdrückt werden mittels Klasse, race, Nationalität oder Aufenthaltsstatus.

Das heißt für uns:

  • Wir kämpfen gegen das System der Zweigeschlechtlichkeit [2]System der Zweigeschlechtlichkeit: Es gab schon immer mehr als zwei Geschlechter, trotzdem ist unsere Gesellschaft auf der Annahme aufgebaut, dass es nur Mann und Frau gibt. Gleichzeitig nimmt ein … Continue reading und für die Anerkennung und Gleichberechtigung aller Geschlechter: Schon lange werden trans, inter und nicht-binäre Menschen besonders verfolgt, verleugnet, erleben Ablehnung, Gewalt und Hass. Dabei haben trans Menschen und insbesondere trans Frauen an vorderster Front für feministische und queere Befreiung gestritten, werden jedoch aus feministischen Kreisen noch heute gezielt ausgeschlossen. Bei Transfeindlichkeit werden sie im Stich gelassen, die geteilte Betroffenheit von Sexismus wird oft geleugnet oder trans Frauen gar als privilegiert dargestellt. Wir wollen für und mit unseren trans, nicht-binären und inter Geschwistern kämpfen!
  • Unser Feminismus ist antirassistisch; wir unterstützen die Kämpfe von rassifizierten, migrantischen und migrantisierten Menschen und stellen diese in den Fokus. Wir hören ihren Stimmen zu und nehmen ihre Kritik an. Wir reflektieren unsere eigenen Rassismen. Migrantische und migrantisierte, Schwarze und rassifizierte Menschen wurden aus sogenannten feministischen Bewegungen lange ausgeschlossen und werden es immer noch. So vertreten prominente „feministische“ Bewegungen oft unwidersprochen antimuslimische und rassistische Positionen. Diesen weißen Feminismus lehnen wir ab!
  • Wir unterstützen die Forderungen nach mehr Präsenz und Schutz von jüdischem Leben, jüdischer Kultur, Geschichte, Religion und Kunst. Unser Feminismus lehnt jede Form des Antisemitismus ab und unterstützt gegenwärtige und historische jüdische Kämpfe. Vor der weiterhin bestehenden Diskriminierung von Jüdinnen*Juden weltweit muss das jüdische Leben in Israel und darüber hinaus besonderen Schutz genießen. Wir lehnen die islamistische Terrororganisation Hamas und mit ihr verbundene Organisationen ab. Hamas ist keine Befreiungsbewegung, sie schützt die palästinensiche Bevölkerung nicht und unterdrückt demokratische und feministische Bewegungen und queere Palästinenser*innen. Sicherheit für Jüdinnen*Juden in Israel kann nur in Verbindung mit Sicherheit für palästinensische Zivilist*innen erreicht werden. Mit einer rechten autoritären Regierung in Israel ist dies nicht möglich. Wir unterstützen demokratische Prozesse, die der intersektionalen Komplexität der Konflikte in Israel/Palästina gerecht werden.
  • Unser Feminismus ist antikapitalistisch: Kapitalistische Gesellschaften bauen auf ein patriarchal-rassistisches System auf, das Sorgearbeiten der Frauenrolle zuschreibt. Sorge- oder auch Care-Arbeit umfasst dabei also Haus- und Erziehungsarbeit, körperliche, psychische und emotionale Fürsorge sowie Pflege. Oft wird diese gering oder gar nicht entlohnte Sorgearbeit von migrantischen, migrantisierten und rassifizierten Menschen übernommen. Geschlecht, Klasse, race und Migration wirken hier intersektional1 zusammen. Unsere Solidarität ist grenzenlos: Denn die (neo)koloniale Ausbeutung des Globalen Südens trifft dortige FLINT [3]FLINT: Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht binäre und trans Menschen am stärksten.
  • Sexarbeit ist Arbeit. Für viele besonders marginalisierte Menschen ist Sexarbeit die einzige Arbeit, die noch zugänglich ist, um ihre Existenz zu sichern. Wir setzen uns dafür ein, dass Sexarbeiter*innen volle Arbeiter*innenrechte gewährt werden, dass sie den Schutz und die Unterstützung bekommen, um ihre Arbeit in Sicherheit und Freiheit auszuüben. Wir erkennen Sexarbeit als wertvolle und anspruchsvolle Sorgearbeit an. Wir lehnen die Illegalisierung und paternalistische Reglementierung von Sexarbeit ab, die Sexarbeiter*innen nur weiter marginalisiert und allein lässt. Wir unterstützen die Forderungen von behinderten Menschen nach vereinfachtem Zugang zu Sexualassistenz und anderen sexuellen Dienstleistungen.
  • Wir streiten für reproduktive Gerechtigkeit. Reproduktive Gerechtigkeit fordert „(1) das Recht, schwanger zu werden, Entscheidungen über Entbindungsmöglichkeiten zu treffen und Kinder zu haben, (2) das Recht, eine Schwangerschaft zu verhindern oder abzubrechen und (3) das Recht, Kinder frei von institutioneller und interpersoneller Gewalt großzuziehen“ [4]https://repro-gerechtigkeit.de/de/der-begriff/. Dieser Begriff, der von Schwarzen Feministinnen entwickelt wurde, ermöglicht einen gemeinsamen, intersektionalen1 Kampf um sexuelle Selbstbestimmung, denn er schließt auch Kämpfe von Menschen ein, die bereits Eltern sind und von Menschen, die Eltern werden wollen, denen es aber institutionell, finanziell oder sozial unmöglich gemacht wird (aufgrund von Rassismus, Ableismus [5]Der Begriff Ableismus ist abgeleitet vom englischen Verb „to be able“ („fähig sein“) und bezeichnet die Diskriminierung von behinderten und chronisch kranken Menschen. oder Queerfeindlichkeit).
  • Ein weiteres Kernthema feministischer Arbeit ist das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und Unversehrtheit. Frauen und genderqueere Personen sind in besonderer Weise von körperlicher, sexualisierter, emotionaler und psychischer Gewalt betroffen. Die Erbarmungslosigkeit und Gefahr patriarchaler Gewalt schlägt sich nieder in zahlreichen Femi(ni)ziden [6]Der Begriff „Femizid“ bezeichnet die Tötung von Frauen, Mädchen und allen weiblich gelesenen Personen durch Männer aufgrund ihres Geschlechts. Erweiternd dazu führte die mexikanische … Continue reading jedes Jahr. Diese Gewalt wirkt intersektional 1 verstärkt gegen Menschen, die außer von Sexismus auch von Rassismus, Transfeindlichkeit, Ableismus 6 oder Sexarbeiter*innen-Feindlichkeit diskriminiert werden. Die Betroffenen genießen wenig Schutz in der Gesellschaft und es gibt kaum geschützte Orte für sie. Diese intersektionale Gewalt setzt sich in der Medizin fort, die auf endo [7]„Endo(geschlechtlich)“ oder „dyadisch“ sind Gegenbegriffe zu „inter“ und bezeichnen Menschen, die eindeutig in die medizinische Norm für männliche oder weibliche Körper passen. cis männliche Körper ausgerichtet ist und dadurch nicht den notwendigen Schutz für die Körper von FLINT bietet. FLINT machen in Bezug auf ihren Körper und ihre Psyche Erfahrungen von Pathologisierungen, gleichzeitig werden sie bei akuten Erkrankungen häufig nicht ernst genommen und somit nicht oder zu spät behandelt. Zudem wird von FLINT eine besondere körperliche und psychische Belastbarkeit erwartet, welche die eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund stellt. Wird diese Erwartung nicht erfüllt, sei es aufgrund von körperlichen oder psychischen Einschränkungen oder aus eigener Entscheidung, geht damit ein hoher Grad an Stigmatisierung einher.

All diese Diskriminierungssysteme wirken zusammen, müssen zusammengedacht und zusammen überwunden werden!

Unsere Organisations-Strukturen

Wir stehen allen Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen offen, die auf der Basis unseres Selbstverständnisses gemeinsam feministisch aktiv werden wollen. Innerhalb des Bündnisses sind verschiedene Beteiligungsformen möglich: Die Organisationsarbeit des Bündnisses wird von den Bündnispartner*innen je nach persönlichen Ressourcen getragen. Wie wir entscheiden, ist immer politisch. Unser Bündnis heißt verschiedene Stimmen und Perspektiven willkommen, die nicht zu den Prinzipien unseres Selbstverständnisses im Widerspruch stehen. Dieses Selbstverständnis ist nicht final, sondern der aktuelle Stand unserer Auseinandersetzung – Kritik und Weiterentwicklung sind notwendig. Je nach Situation sind einzelne Stimmen und Identitäten von unterschiedlichem Gewicht und bestimmen unsere Entscheidungen. Entscheidungen nach Mehrheits- und Konsensprinzip sind nicht immer sinnvoll: bevor wir im Plenum abstimmen, besprechen wir welche Stimmen und Perspektiven hier wichtig sind (z.B.: bei antirassistischer Arbeit die Perspektiven von migrantischen, migrantisierten und rassifizierten Menschen).
Unsere Aktionen und Orgastrukturen gestalten wir möglichst zugänglich: Dies schließt zum Beispiel Online-Plena und -Veranstaltungsformate ein, Kinderbetreuung und barrierefreie Zugänge bei Präsenzveranstaltungen.

Unser Bündnis ist solidarisch

Wir hören Betroffenen von Diskriminierung zu, machen Platz für sie und lassen sie zu Wort kommen. Wir möchten einen möglichst sicheren Raum schaffen; Personen, die sich bewusst diskriminierend gegenüber anderen verhalten, müssen ggf. den Raum verlassen. Die eigene Bereitschaft sowie die Bereitschaft des Bündnisses, Kritik und Perspektiven von Betroffenen anzunehmen und eigene Vorurteile kritisch zu hinterfragen, sind zentral. Kritik anzunehmen, heißt für uns, Verantwortung für Aussagen und Handlungen zu übernehmen und zu reflektieren, wieso diese verletzend waren – ohne die betroffene Person einem Erklärzwang auszusetzen. Solidarisch zusammen zu arbeiten, heißt für uns auch, sich mit eigenen Privilegien auseinanderzusetzen und diese zu nutzen, um unterrepräsentierte Stimmen und Forderungen zu zentrieren und uns gegenseitig zu schützen. Es gibt Verständnis und Sensibilität für die Situation und Bedürfnisse anderer. Es wird vorgewarnt, bevor von gewaltvollen Situationen gesprochen wird.

Nicht alle verstehen diesen Text. Das Bündnis möchte das in Zukunft ändern. Übersetzungen in einfache Sprache und Sprachen außer Deutsch werden folgen.

 

 

References

References
1 Intersektionalität ist ein Begriff aus dem Schwarzen Feminismus und wurde erstmals von der Schwarzen US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw akademisch beschrieben. Das Konzept meint das Zusammenwirken verschiedener Diskriminierungsformen, z.B.: Eine Schwarze Frau ist sowohl von Sexismus als auch von Rassismus betroffen. Rassismus funktioniert auf eine eigene Weise und Sexismus auch. Wenn beides zusammenkommt, entwickeln sie jedoch noch weitere Funktionsweisen, die sie allein für sich nicht hätten. Dieses Phänomen beschreibt das Konzept der Intersektionalität.
2 System der Zweigeschlechtlichkeit: Es gab schon immer mehr als zwei Geschlechter, trotzdem ist unsere Gesellschaft auf der Annahme aufgebaut, dass es nur Mann und Frau gibt. Gleichzeitig nimmt ein System von Zweigeschlechtlichkeit an, dass Geschlecht etwas biologisch Festgelegtes ist und sich nicht ändern kann oder unabhängig vom Körper betrachtet werden darf.
3 FLINT: Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht binäre und trans Menschen
4 https://repro-gerechtigkeit.de/de/der-begriff/
5 Der Begriff Ableismus ist abgeleitet vom englischen Verb „to be able“ („fähig sein“) und bezeichnet die Diskriminierung von behinderten und chronisch kranken Menschen.
6 Der Begriff „Femizid“ bezeichnet die Tötung von Frauen, Mädchen und allen weiblich gelesenen Personen durch Männer aufgrund ihres Geschlechts. Erweiternd dazu führte die mexikanische Anthropologin Marcela Lagarde den Begriff „Feminizid“ ein. Dieser prangert die Verantwortungslosigkeit und das Versagen der institutionellen Gewalt an.
7 „Endo(geschlechtlich)“ oder „dyadisch“ sind Gegenbegriffe zu „inter“ und bezeichnen Menschen, die eindeutig in die medizinische Norm für männliche oder weibliche Körper passen.